Sammlungen

Federgeld

Von Katrien Costermans, Museumsführerin

Die Federgeldrollen, die auf dem Archipel von Santa Cruz lange Zeit als Zahlungsmittel verwendet wurden, erforderten einen sehr komplexen und langwierigen Herstellungsprozess

Rouleau de plume

In Kürze

Diese Federgeldrolle wurde lange Zeit auf dem Santa-Cruz-Archipel, eine Inselgruppe der Salomoninseln, benutzt. Federgeld wurde nicht nur für größere, sondern auch für rituelle Zahlungen verwendet. So diente es bei der Heirat als Brautpreis. Als Entschädigung für den Verlust ihrer Tochter erhielt die Familie der Braut mehrere Federgeldrollen. Das Wissen über die Anfertigung wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Diese Rolle besteht aus einer Ansammlung von roten Federn des Kardinalhonigfressers oder Myzomela cardinalis. An ihrer Herstellung waren mindestens drei Personen beteiligt. Der Vogelfänger fing die Vögel. Ein zweiter Spezialist war für das Aufkleben der Federn zuständig. Schließlich band ein Rollenbinder die Streifen zusammen, indem er sie mit Schnüren umwickelte. Für die Herstellung einer einzigen Rolle waren mindestens 50 000 Federn erforderlich, d. h. 400 bis 600 Vögel und 700 Arbeitsstunden. Ein Dokumentarfilm, der diese Herstellungstechniken veranschaulicht, ist im Museum zu sehen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Federgeld durch Münzen und Geldscheine ersetzt. Bis in die 1990er Jahre waren die Federrollen neben Münzen und Scheinen bei Zeremonien noch gebräuchlich.

Diese Rolle aus Vogelfedern ist ein Zahlungsmittel, das zumindest überrascht. Dieses Federgeld wurde lange Zeit auf dem Santa-Cruz-Archipel benutzt, eine abgelegene Inselgruppe der Salomoninseln. Dieser Archipel besteht aus den Inseln Ndende, Vanikoro, Utupua, Tinakula und mehreren Koralleninseln.

Das Federgeld bestand aus einem 9 m langen Band aus Pflanzenfasern, das mit roten Federchen des Kardinalhonigfressers (Myzomela Cardinalis) bedeckt war. Häufig hatte es die Form einer Doppelrolle. Eine Doppelrolle war eine unteilbare Handelseinheit, die aus rund 50 bis 60 000 roten Federn bestand. Woher die Idee des Federgelds genau kam, ist nicht klar, aber die rote Farbe deutet auf jeden Fall auf einen polynesischen Einfluss hin. Rot ist die Farbe der Götter und kommt in der Natur selten vor.

Myzomèle cardinal
Kardinal-Zwerghonigfresser oder Myzomela Cardinalis © Museum der Belgischen Nationalbank
Plaques de plume
Platten mit Federn, die zu Rollen zusammengebunden sind. © Museum der Belgischen Nationalbank

Das Federgeld wurde hauptsächlich im südwestlichen Teil der Hauptinsel Ndende in drei Phasen hergestellt. Jede Phase wurde von einem Spezialisten ausgeführt, der sein Wissen von den Geistern erhalten hatte. Die Technik wurde von Vater auf Sohn weitergegeben. In der ersten Phase wurden die Kardinalhonigfresser von einem Vogelfänger gefangen. Dafür wurde ein Zweig mit dem Saft des Maulbeerbaums bestrichen, der als Leim diente. Er lockte die Vögel an, indem er einen lebenden Vogel an diesem Zweig festband, einen ausgestopften Lockvogel verwendete oder den Lockruf des Vogels nachahmte. Sobald ein Vogel am Zweig klebte, wurde er gerupft.

Ein zweiter Spezialist war verantwortlich für die Fertigung der Plättchen (die man auch Lendu nannte), aus denen die Bänder zusammengesetzt waren. Die steifen Federn einer Taube dienten als Grundlage. Die Tauben wurden erst mit Pfeil und Bogen erlegt, dann wurden die Federn mit dem Maulbeerbaumsaft aneinandergeklebt. Auf jedes Plättchen wurden dann die roten Federn des Kardinalhonigfressers geklebt. Insgesamt waren für eine Rolle 1 500 bis 1 800 solcher Plättchen nötig.

Die Plättchen wurden schließlich zum Rollenbinder gebracht. Dieser band alle Plättchen zu einer bis zu 9 Meter langen Rolle zusammen. Dazu wurden zwei Schnüre aus Rindenbast parallel zueinander zwischen zwei Bäumen gespannt. Sie wurden mithilfe eines Spannstabs aus dem Flügelknochen eines Flughunds auseinandergehalten. Der Spezialist begann dann damit, die Plättchen zwischen diesen beiden Schnüren zu binden. Dabei arbeitete er sich von der Mitte nach außen hin vor. Die Plättchen lagen wie Dachziegel übereinander. Insgesamt waren 700 Arbeitsstunden nötig, um eine Rolle herzustellen, also fast ein ganzes Jahr.

Das Endergebnis war eine leuchtend rote Federrolle. Je leuchtender die Farbe und je besser der Zustand der Rolle, desto höher ihr Wert. Insgesamt gab es beim Federgeld 10 Grade. Die Bänder des ersten Grads hatten die leuchtendsten Farben und waren somit sehr kostbar. Die Bänder des untersten Grads waren beinahe schwarz und oft in schlechtem Zustand. Eine Rolle eines bestimmten Grads war doppelt so viel wert wie eine Rolle des niedrigeren Grades. Für die Aufbewahrung wurden die Bänder mit Amuletten zusammen in Blättern und Lumpen verpackt und rund zwei Meter über dem Feuer aufgehängt. Trocken wurden sie weniger von Schimmel und Insekten befallen.

Fabricant de rouleau de plume
Der Rollenbinder bei der Arbeit © Museum der Belgischen Nationalbank
Rouleau de plume
Federwalze © Museum der Belgischen Nationalbank

Bei der Betrachtung von traditionellen Zahlungsmittel müssen wir unsere westliche Definition von Geld ein wenig beiseitelegen. Die verschiedenen Geldformen wie Federgeld, Muscheln oder Stein dienten nicht nur dem Handel, sondern wurden auch für rituelle Zahlungen wie Bußen und Entschädigungen verwendet. Eine der auffälligsten Anwendungen des Federgelds war die Bezahlung des Brautpreises. Dafür wurden Güter und Dienste von der Familie des Mannes an die Familie der Frau übertragen. Die Heirat einer Tochter bedeutete ja einen Verlust für die Familie, und zwar nicht nur einen emotionalen Verlust, sondern auch den Verlust einer Arbeitskraft. Der Brautpreis wurde somit als Entschädigung für den Verlust einer Tochter angesehen. Die Familie der Braut erhielt in der Regel zehn Federrollen, wobei die Anzahl Rollen für eine Frau von den westlichen Inseln auch höher sein konnte. Diese Frauen waren nämlich besonders geschickt, sie konnten gut fischen, paddeln und sie kletterten auch in Obstbäume.

Federgeld wurde auch im täglichen Zahlungsverkehr verwendet. Zwischen den verschiedenen Inseln des Archipels entstand ein Handelsnetz, in dem sowohl mit Federgeld bezahlt als auch Tauschgeschäfte abgeschlossen wurden. Die kleinen Koralleninseln waren aufgrund ihres unfruchtbaren Sandbodens nicht für den Ackerbau geeignet, aber sie hatten eine große Bevölkerung, die vor allem von Fischerei und Schweinezucht lebte. Ndende hingegen war zwar dünn besiedelt, dafür aber groß und besaß fruchtbaren Boden. Die Bevölkerung der Koralleninseln „exportierte“ daher häufig Frauen gegen Federgeld nach Ndende. Dieses Federgeld wurde häufig verwendet, um Holz, Boote oder Ferkel zu kaufen.

Federgeld ist heutzutage weitgehend in Vergessenheit geraten. Seit Anfang des 20 Jahrhunderts und bestimmt seit dem zweiten Weltkrieg wird auf dem Santa-Cruz-Archipel mit westlichen Münzen und Geldscheinen bezahlt. Der letzte Mann, der noch Federgeldrollen anfertigen konnte, starb in den 1980er Jahren. Es ist dem Dokumentarfilm des deutschen Anthropologen Gerd Koch (1922-2005) zu verdanken, dass uns diese Herstellungstechniken noch bekannt sind. Einige Exemplare sind noch bei Sammlern oder in Museen zu finden. Die verbliebenen Rollen sind oft beschädigt oder in schlechtem Zustand. Viele Bänder wurden von den Inselbewohnern ins Meer geworfen.

Rouleaux de plumes dans le village
Federrollen mit den Einwohnern und einem Anthropologen © Museum der Belgischen Nationalbank

Bibliografie

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